Viktor E. Frankl 1905-1997

 

Frankl promovierte 1930 in Medizin, bis 1936 Facharztausbildung Neurologie und Psychiatrie. 1942 Deportation nach Auschwitz, er überlebte 4 Konzentrationslager in drei Jahren und verlor in dieser Zeit seine Eltern, Bruder und Ehefrau. Seine Schwester überlebte in der Emigration.

Frankl war Ethiker und Humanist. Die von ihm entwickelte Existenzanalyse in den frühen 30ern wurde als anthropologische Theorie für eine existentielle, dem menschlichen Dasein hinsichtlich seines Wesens betreffende Richtung der Psychotherapie entwickelt. Aus ihr entwickelte Frankl die Logotherapie.

Frankl konzipierte jedoch die EA und Logotherapie nicht als selbständige Therapieform, sondern er wollte vielmehr für die existenziellen Krisen des Menschen oder für psychische Störungen eine Begleitung schaffen zur Ergänzung der zeitgenössischen Therapien.

Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive entwickelte er seine Theorie im Kontext der Psychologie und Anthropologie der Psychoanalyse Freuds und der Individualpsychologie A. Adlers. In diesen psychotherapeutischen Richtungen sah er die “geistige Problematik“ nur “defizitär gewürdigt“. Frankl band seine Anthropologie in eine philosophische Abhandlung über Ontologie und Existenz ein. Dies drückt sich besonders in seiner Kurzformel aus, die er 1938 in seinem Aufsatz “Zur geistigen Problematik der Psychotherapie“ veröffentlichte: “Eine allgemeine Besinnung auf die tiefsten Grundlagen menschlicher Existenz ergibt folgende anthropologische Formel: Ich-Sein heißt Bewußt-Sein und Verantwortlich-Sein.“ (Existenzanalyse und Logotherapie Riedel/Deckart/Noyon)

Die wesentliche Ergänzung des Menschenbildes Frankls ist die „Geistige Dimension“.

Für Viktor Frankl ist die Geistigkeit, die geistige Dimension das ‚spezifisch Menschliche‘, die Eigentlichkeit des Menschen. Erst die geistige Dimension ermöglicht es dem Menschen, sich von sich selbst zu distanzieren, Abstand zu gewinnen – zum Beispiel von belastenden Glaubenssätzen, Verstimmungen, Ängsten, Zwängen. Dies führte Frankl zu der Aussage, dass man dem Menschen wieder ‚Mut zum Geist‘ machen muss. Man muss ihm klarmachen, „dass er Geist hat und dass er ein geistiges Wesen ist“.

Dem “Lustprinzips“ Freuds stellt Frankl folgendes Gegenüber: Lust ist Folge aber nicht selber Ziel, Lust muss folgen, kann aber nicht erzielt werden. Die Lust als emotionaler Zustand kann aus existenzanalytischer Sicht kein sinnvoller Beweggrund für menschliches Verhalten sein.

Gegenüber der Psychoanalyse stellte für Frankl die Individualpsychologie Adlers eine “Höhenentwicklung der Psychotherapie“ da. Er übernimmt aus ihr die Ausrichtung der menschlichen Persönlichkeitsentwicklung. Frankl störte jedoch das starre Begriffssystem und die rein naturwissenschaftliche Betrachtung Adlers des Menschen.

Adler: gehasste, vernachlässigte oder überstreng erzogene Kinder streben nach persönlicher Überlegenheit/Machthunger. Der Wille zur Macht ist das Ergebnis eines Minderwertigkeitskomplexes. Er soll das Minderwertigkeitsgefühl kompensieren. In diesem Zusammenhang verwies er auf Hitler.

Des Weiteren postulierte Adler „Die Erziehung sollte schon von Geburt des Kindes mit der Erziehung der Eltern beginnen. Das mächtigste Mittel der Erziehung ist Liebe.“

Für Adler waren Frauen und Männer von Natur aus gleichwertig und die Unterdrückung der Frau zum Schaden beider Geschlechter.

 

Die Existenzanalyse (eine Analyse auf Geistiges hin)

Die Existenzanalyse Frankls befasst sich mit der Selbstbesinnung einer Person in Bezug auf deren Freiheit und Verantwortlichkeit. Sie beleuchtet die Grundmöglichkeiten, das Potential eines Menschen, auf eine geistige Ebene, die nicht logisches Denken und Intellekt ausmacht, hin. Dabei hilft die EA ihm über alle Sinnwahrnehmungs-Eintrübungen, Sinnbarrieren oder Sinnverlusterfahrungen hinaus seine Lebensfähigkeit und seine Lebensmöglichkeiten im Blick auf den einzigartigen und einmaligen Sinn hin wahrzunehmen. Die EA ist mit ihrer Bewusstseinsarbeit der einsichtgebende Teil der Franklschen Therapie. Der Mensch wird  jenseits von Ödipuskomplex (Freud) und Minderwertigkeitsgefühl (Adler) in seinem „“geistigen Ringen“ wahrgenommen. Die Sinnwahrnehmung erschließt dem Menschen sein ICH-SEIN samt seiner Selbst- und Lebensgestaltungspotentiale.

Menschliches Dasein, Existenz, heißt absolutes Anders-Sein. Denn die wesentliche und werthafte Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen bedeutet ja nichts anderes, als dass er eben anders ist als alle anderen Menschen. Indem jeder Mensch gegenüber allen anderen „absolut anders ist“, ist er, was sein Sosein anlangt, einzigartig; zugleich ist jeder Mensch, was sein Dasein anlangt, einmalig, und so ist denn auch der Sinn jedes Daseins einmalig und einzigartig. (S. 68 V. Frankl Die Psychotherapie in der Praxis)

Die “geistige Ebene“ wird als die spezifisch humane Dimension des Menschen gesehen. Es ist die Dimension der Lebenspläne und Lebensgestaltung, der Zielwahrnehmung und Willensvorgänge, der Empfänglichkeit für Sinnfragen, Ethos und religiöse Erfahrung, Liebe, Güte usw. . Es ist die Dimension künstlerische Intuition und wissenschaftlicher Inspiration, die Quelle jedweder kulturellen Entwicklung. Ihr Charakteristikum ist die Annahme zur Wahlfreiheit, auch wenn die nur in der freien Einstellung zu unfreien Gegebenheiten besteht. (Frankl Der unbewusste Gott 1988)

Bezugnehmend auf Frankls Menschenbild sei hier erwähnt, dass Frankl als Axiom annahm, dass der Mensch einen freien Willen hat. Diese Annahme ist ebenso wenig beweisbar, wie die Grundlage der Medizin, die voraussetzt, dass das Erhalten eines Menschenlebens erstrebenswert ist, und doch hat sie Gültigkeit.

Die potentielle Willensfreiheit kann durch Krankheit, Unreife, Senilität eingeschränkt oder aufgehoben sein, was aber nichts an ihrem grundsätzlichen Vorhandensein ändert. (Elisabeth Lukas, Lehrbuch der Logotherapie)

 

Die Logotherapie

Logotherapie ist motivierend, ganzheitlich, lösungsorientiert und damit sinnzentriert.

Das Konzept Frankls  „Wille zum Sinn“  darf aber nicht als „Sinn gebende“ sondern als „Sinn suchende“ Therapieform verstanden werden.

Logotherapie besinnt sich auf Sinn und Wert einer Existenz. Aber was ist Sinn?

Viktor Frankl pflegte eine ziemlich präzise Antwort darauf zu geben, die uns zum Reflektieren einladen soll: Der Mensch sei nicht dazu gezwungen, einen Sinn des Lebens zu definieren, der allgemeingültig wäre. Jeder beantworte die Frage auf seine eigene Art. Dabei gehen wir von uns selbst aus, von unseren Möglichkeiten und Erfahrungen, die uns im täglichen Leben begegnen. Darüber hinaus unterscheide sich der Sinn des Lebens nicht nur von einer Person zu einer anderen, sondern auch von unseren Zielen in den jeweiligen Lebensphasen. Wichtig ist, dass jedes Ziel uns zufriedenstellt und uns ermutigt.

Im Freiraum des Menschen sinnvolle Werte und Möglichkeiten zu entdecken ist Aufgabe der Logotherapie.

Anmerkung: Grundsätzlich werden Existenzanalyse und Logotherapie nicht so scharf getrennt. Frankl postulierte, dass es zwei Seiten derselben Medaille seien.